Universalmuseum Joanneum: zwei Ausstellungen rund ums Thema Arbeit
Das gibt es aktuell im Universalmuseums Joanneum zu sehen
„Alles Arbeit“ im Museum für Geschichte geht dem gesellschaftlichen Blick auf weibliche Arbeit nach. © Universalmuseum Joanneum/J.J. Kucek
Gleich zwei Ausstellungen vom Universalmuseum Joanneum widmen sich aktuell dem Thema Arbeit. Wir baten die beiden Kuratorinnen Katia Huemer und Eva Tropper zum Gespräch.
Die Arbeitswelt hat sich in unserer heutigen Gesellschaft drastisch gewandelt. Begriffe wie New Work, 4-Tage-Woche und Work-Life-Balance sind in aller Munde. Einen Blick zurück sowie auf die Gegenwart werfen die Ausstellungen „24/7“ im Kunsthaus Graz sowie „Alles Arbeit“ im Museum für Geschichte. Diesen besonderen Schwerpunkt im Jahresprogramm des Universalmuseums Joanneum haben zwei Frauen kuratiert, die beruflich wie privat viel zu dem Thema zu sagen haben – Katia Huemer (l., Kunsthaus Graz) und Eva Tropper (r., Museum für Geschichte) im Doppelinterview.
Frau Tropper, in Ihrer Ausstellung haben Sie das Verhältnis von bezahlter, prekärer und unbezahlter Arbeit im Leben von Frauen zwischen 1950 und 1966 im Fokus. Wie entstand die Idee zu diesem Thema?
Eva Tropper: Unser Ausgangspunkt war die Beobachtung, dass derzeit die Frage nach der Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit gesellschaftlich ein häufiger Diskussionspunkt ist. Pflegenotstand, Gender-Pay-Gap und Teilzeitfalle – Schlagworte wie diese zeigen, wie hochaktuell Fragen der Organisation, Verteilung und Entlohnung von Arbeit heute sind.
Die Idee war daher, von der gesellschaftlichen Relevanz dieses Themas auszugehen und sich die Frage zu stellen, woher diese Schieflage in der Verteilung kommt. Die Grundlage für die Ausstellung bildet das Fotoarchiv Blaschka, eine Agentur für Pressefotografie, die in den späten 40er-Jahren gegründet wurde. Darauf basieren dann unsere Fragen: Welche Bilder weiblicher Arbeit entstanden? Welche Wertvorstellungen wurden vermittelt? Was kam in die Zeitung?
Welche Erkenntnis ergaben Ihre Recherchen?
Eva Tropper: Sorgearbeit wurde in den Fotos so gezeigt, als wäre sie immer schon die alleinige Aufgabe von Müttern gewesen. Das stimmt historisch aber gar nicht, dafür wollen wir in der Ausstellung sensibilisieren. Auch waren kaum die unterschiedlichen Lebensmodelle abgebildet. In der Nachkriegssteiermark gab es vor allem im ländlichen Raum größere Haushalte. Nicht nur die Großeltern wohnten mit im Haus, oftmals auch Menschen, die nicht verwandt waren oder am Hof mitgearbeitet haben. Auf den Pressefotos waren aber nur Kleinfamilien zu sehen.
Wie geht man innerhalb einer Ausstellung damit um, dass die Fotos sozusagen nicht die Realität widerspiegeln?
Eva Tropper: Wir haben uns dazu entschlossen, mit Leerstellen zu arbeiten – überall dort, wo wir darauf hinweisen wollen: Da gibt es ein Thema, das man aber nicht sieht.
Frau Huemer, „24/7“ widmet sich den Veränderungen in der Arbeitswelt, die unsere Gegenwart prägen. Welche Fragen standen im Mittelpunkt?
Katia Huemer: Thematisch bewegen wir uns zwischen zwei Polen: auf der einen Seite die Sinnstiftung und auf der anderen Seite die Entgrenzung. Dazwischen liegen aber noch ganz viele Subthemen wie künstliche Intelligenz, Gewerkschaften, Arbeitskampf oder die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern.
Woher kommt der Titel „24/7“?
Katia Huemer: Die Thematik „Zeit“ schwebt sozusagen als Überthema über der Ausstellung. Gefühlt haben wir ja immer weniger Zeit. Wir sind es gewohnt, rund um die Uhr zu konsumieren, was aber im Umkehrschluss auch bedeutet, dass rund um die Uhr gearbeitet wird. Mit der Covid-Pandemie fand diesbezüglich eine große Veränderung statt – in unserer Zeitvorstellung, aber auch in unserer Vorstellung, wann die Arbeit aufhört und das Privatleben beginnt. New Work ist da nur einer der Begriffe, der in diesem Zusammenhang immer wieder auftaucht.
Historisch gesehen, hat sich die Bedeutung der Arbeit im Leben der Menschen verstärkt oder abgeschwächt?
Katia Huemer: Die Sichtweise hat sich total verändert. Mit der bürgerlichen Gesellschaft fing es überhaupt erst an, sich über die Arbeit zu definieren. Davor war es eigentlich Luxus, wenn man nicht arbeiten musste.
Stichwort: Sinnstiftung – ein großes Thema in beiden Ausstellungen. Was ist für Sie persönlich das Sinnstiftende an Ihrer Arbeit?
Eva Tropper: Eine vermittelnde Rolle zu übernehmen und relevante Themen verständlich aufzubereiten, macht meine Arbeit unter anderem für mich persönlich sinnstiftend.
Katia Huemer: Mit Künstlerinnen und Künstlern zu arbeiten und immer wieder ganz neue Perspektiven aufgezeigt zu bekommen, ist für mich persönlich eine Bereicherung.
Es gibt eine Arbeit, die in beiden Ausstellungen zu sehen ist. Welche ist das?
Katia Huemer: Eine Arbeit von Lia Sudermann und Simon Nagy. Auf Einladung von Eva Tropper haben die beiden Filmemacher:innen begonnen, sich mit dem Fotoarchiv Blaschka zu beschäftigen.
Eva Tropper: Entstanden ist ein Video, in dem sich zwei Personen intuitiv über die abgebildeten Fotos unterhalten. Dieses Video sowie häuserübergreifende Führungen schlagen die Brücke zwischen unseren beiden Ausstellungen.
Was wäre Ihr Wunsch, mit welchen Gedanken oder Ideen Menschen aus Ihrer Ausstellung wieder rausgehen sollen?
Eva Tropper: Dass man einen wertschätzenden Blick auf diese Formen von Arbeit – also Sorgearbeit – wirft und sagt: Das ist Arbeit. Aus meinen Beobachtungen und Gesprächen heraus kann ich sagen, dass diese Botschaft bei den Besucherinnen und Besuchern ankommt.
Katia Huemer: Ich glaube, die Menschen gehen mit sehr unterschiedlichen Gedanken aus der Ausstellung, weil jeder persönlich einen anderen Zugang zum Thema hat. Aber das Thema „Der Stellenwert der Arbeit“ ist sicherlich ein vordergründiges.
Die Ausstellungen im Universalmuseum Joanneum
Alles Arbeit. Frauen zwischen Erwerbs- und Sorgetätigkeit, Fotoarchiv Blaschka 1950–1966
Museum für Geschichte
Zu sehen bis 06.01.2025
Kuratorin: Eva Tropper
24/7. Arbeit zwischen Sinnstiftung und Entgrenzung
Kunsthaus Graz
Zu sehen bis 19.01.2025
Kuratorin: Katia Huemer
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